Der Oberstufenkurs 12 „Darstellendes Spiel“ des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums (BvSG) zeigte am 16. und 17. März 2023 sein Können in einem zweistündigen, kurzweiliegen Theaterabend, jeweils vor restlos ausverkauftem Haus auf der Bühne des Filmsaals. Gespielt wurde vom 21-köpfigen Ensemble der französische Klassiker des Absurden Theaters „Die Nashörner“, hier in einer weitgehend von den DS-Kursen neu konzipierten Adaption namens „Yolo“ (you only live once).

Es zeigte sich, dass das französischsprachige Theaterstück von Eugène Ionesco aus den 50-ger Jahren auf prophetische Weise in die heutige Zeit passt. Grundsätzlich geht es um eine fiktive Gesellschaft, die sich, bis auf den Protagonisten, zu einer Herde an Nashörnern verändert, was damals als Allegorie auf das nationalsozialistische Regime zu verstehen war. Die gezeigte Adaption wurde dabei an aktuell politische „Kämpfe“ und an die moderne Sprache angepasst.

Die Stückentwicklung selbst, angeleitet vom DS-Lehrer Stefan Naumann, war zwar bereits vor Corona abgeschlossen, doch die aktuelle Aufführung offenbarte, dass die verstörenden Erlebnisse der Postpandemie-Zeit hier intensiv ins Schauspiel mit einfließen und zu einer unheimlich selbsterfüllenden Prophezeiung werden: Bunker-Feeling, Katastrophenangst, Verschwörungsszenario.

Die Hauptfigur Behringer aus der Vorlage bleibt erhalten, wird jedoch zum Ravioli-Dosen hortendem Prepper, hier furios und eindringlich gespielt von Jan Bednarski. Treu an seiner Seite Lokipedia, die Stimme der „Künstlichen Intelligenz“, leise und eindringlich dargestellt von Riccarda Moll. Die Jugendlichen stoßen anfänglich bei ihrer Suche nach einem Döner bei McDonalds auf tobende Nashörner im Prime Markt. Eine „Neue“ (Cora Merzbach in Anlehnung an Greta Thunberg) kommt derweil aus Schweden eingewandert und regt sich ziemlich über die Nashörner auf. Da ist noch Elvis, herrlich abgehalftert portraitiert von Karl Gebel. Er muss hier als in Anlehnung an den Griechischen Chor den Plot vorwegsingend kommentieren. Neben ihm wuselt die nervige Hippiehexe, wirklich gruselig von Melissa Praml verkörpert, die trotz des Untergangs mit Ansage diese Nashörner immer noch „sooo schön“ findet. Die Jugendlichen scheitern an dieser dystopischen Welt. Noch schöpfen sie Hoffnung, denn egal wie schlimm es wird, im „Kühlschrank brennt immer noch Licht“.  So singen sie es im epischen Theaterchor.

Doch das ist ein Irrglaube, dem Fatalismus entrinnt keiner. Dieser Abend liefert das volle Programm. Alles gipfelt in einer Publikumsbeschimpfung, die Menschen schwören dem Humanismus ab, werden kollektiv zum Nashorn-Mob. Es gibt nach Ionesco einen Grund dafür, warum man zum Nashorn wird: Es mutiert der Mensch zu einem Monster. Hier, in der Inszenierung wandeln dystopisch und furchteinflößend die Schauspieler im ultimativen Finale der Katharsis in Gasmasken und Seuchenschutzanzüge über die Bühne. All dies im Endzeitambiente des Bühnenbildes von Kunstlehrer Thomas Poganiuch aus flackernden Ölfässern, Konservendosenwänden und entstellten Nashornskulpturen.

Große Themen werden an diesem Theaterabend im BvSG angesprochen: Klimakatastrophe, Mitläufertum und nicht zuletzt die Motivik der „Menschheitsdämmerung“. Der erst verhaltene und dann aufbrandende Applaus am Ende der Aufführung zeigte, diesem Ensemble ist es gelungen, den Zuschauer – trotz eines wortreichen Stakkatos aus rasanten Wechselreden – sprachlos zurückzulassen und zugleich auf tragikomische Weise zu unterhalten. Auf jeden Fall zündete der Theaterfunke wieder in diesem im Dornröschenschlaf geglaubten Andernacher Theatersaal und findet in den DS-Kursen am BvSG, die man hier ab der 11. Klasse wählen kann, eine brandneue Nachwuchsschmiede.

Stefan Naumann, DS-Fachlehrkraft